Mehrere Jahre war es still um Left Boy, das Rap Wunderkind mit dem seltsamen und einmaligen Sound. Da liegen verschiedene Spekulationen nahe: Er hat sein Pulver verschossen, ihm fällt nichts mehr ein, Eintagsfliege, die Angst vor dem zweiten Album. Aber nichts davon stimmt. Nicht nur das: Man könnte nicht falscher liegen!
Denn während die Medien noch überlegen, was Left Boy wohl diesmal aus Hip-Hop alles rausholen kann, ist er schon längst ganz woanders und winkt uns vom gegenüberliegenden Ufer zu: Left Boy hat beschlossen, das Game nicht mehr mitzuspielen. Nicht, dass er jemals unter dem Verdacht gestanden hätte, der nette Radio-Chartpopper von nebenan zu sein - aber etwas in ihm hat sich verändert. Rap ist nicht mehr die erste Stimme, die ihm einfällt, wenn er Musik macht. Der Stil, die Schublade wurde zu eng für ihn und bot ihm nicht mehr die Möglichkeiten, das zu erzählen, was er loswerden wollte. Deswegen musste ein Wechsel her, eine Häutung, eine Neugeburt. Welcome Ferdinand.
Ferdinand ist kein lahmes Alter Ego von Left Boy, der ein Alter Ego von Ferdinand ist. Left Boy ist Ferdinand, ist Left Boy, ist Ferdinand. Zeit, die Masken abzulegen. Und wir dürfen Ferdinand kennenlernen, dieses Mastermind, den Bastler, den Frickler, den Nachdenker. Ferdinand nimmt uns mit, zeigt uns seine Sicht auf die Welt und wie er zu dem Ferdinand wurde, den wir heute für Left Boy halten. Klingt kompliziert? Wie schön, dass Musik eine universelle Sprache ist!
Left Boy hat ein Rockalbum gemacht. Ja, ein Rockalbum. Not your average old white dude rock album. Sondern nach seinen eigenen Massstäben. Natürlich ist das noch Pop, natürlich ist das noch Rap - aber vor allem ist das Rock. Nach Jahren des Samplewahnsinns und einer gesunden „Been there - done that“-Attitüde, beschloss Ferdinand weiter zu gehen und hat nach langer Suche plötzlich die Gitarre für sich entdeckt. Die Gitarre als neue Herausforderung - das älteste Instrument der Rockgeschichte, plötzlich als neues, freshes Tool. Und, Boy, tobt er sich aus! Das neue Album von Left Boy ist auch ein Spaziergang durch die verschiedenen Möglichkeiten und Stile: Classic Rock, AC/DC-Style, Glam Rock, Country - you name it. Ferdinand war schon vor dir da. Aber es geht nicht um ein einfaches nachempfinden der Styles und Möglichkeiten. Das wäre viel zu wenig und zu einfach für einen Komplettkünstler wie Ferdinand. Er nimmt die Stile auseinander, betrachtet ihre Fragmente und setzt sie wieder zusammen, zu etwas Neuem. Das atmet durchaus noch den Geist seines Ursprungs, aber hat trotzdem diese überraschende Unberechenbarkeit, wie sie nur der Pop von Left Boy hat.
Ein Lied wie „Father of God“, das mit der Zeile „The Kids want hits!“ beginnt, zeigt dabei sehr gut, wo die neue Left Boy Reise hingeht. Die Gitarren rocken knarzig-trocken über den Track, als hätte Angus Young mal eben im Studio vorbei geguckt und ein Riff liegen lassen. Dazu die große Rockstarpose, die ja schon die Titelzeile ist. Wenn man das hört und denkt, man hätte verstanden, was der „neue“ Left Boy will, hört man plötzlich ein Lied wie „Kid“, eine ans Herz gehende Ballade über Verlust und Nähe. Und man ist verwirrt, mag diese sensible Note doch gar nicht so recht zur breitbeinigen Money Drugs Bitches Fame-Pose passen. Und das sind nicht die einzigen Gegensätze. Was aber verbindet diese Platte?
Die Vision: Ferdinand lässt uns nahe ran, ganz nah. An sich. Jedes Video zum Album erzählt einen Puzzlestein seiner Geschichte. Jeder Song ist ein Stück Ferdinand. Und ein Stück Left Boy. Der Begriff „Gesamtkunstwerk“ ist viel zu flach für dieses Projekt. Jedes Video, jeder Song ist ein eigenes kleines Kunstwerk und Left Boy versucht Katalysator zu sein und alles in und um sich zu bündeln. Zu einem ganzen, großen. Jeder Song kriegt seine Chance groß rauszukommen.
Ein Konzeptalbum? Vielleicht. Wenn man das Leben als Konzept begreift. Ferdinand öffnet sich uns, um das Beste aus Left Boy herauszuholen. Und wir dürfen mit auf diese Reise. Steigen wir besser ein - Ferdinand ist bestimmt schon wieder fünf Schritte weiter.